PODCAST | Shiatsu – Die Kunst der Berührung – Interview mit Roberto Preinreich

Heute entführe ich dich in die Welt des Shiatsu, und das mache ich mit Roberto Preinreich. Mir ist es so eine Freude dieses Interview mit dir führen zu dürfen, lieber Roberto!

 

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Anna:

Wir haben uns beim ESI kennengelernt im Rahmen eines Shiatsu-Kurses. Alle, die mich schon länger kennen, wissen ja, dass ich eine Shiatsu-Ausbildung absolviert habe. Kannst du bitte mal in deinen Worten erklären, was Shiatsu überhaupt ist?

Roberto:

Bevor ich Shiatsu erkläre, muss ich noch etwas anderes sagen. Ich erinnere mich noch sehr gut an unsere ersten Kontakte. Ich hatte damals schon den Eindruck, dass du sehr fleißig bist. Du hast dich damals sehr genau über die Shiatsu-Ausbildung erkundigt, wie es nicht viele tun.

Shiatsu ist im Grunde genommen eine relativ junge Körper-Energie-Arbeit, die in Japan in den 20er Jahren entwickelt wurde – damals ist Shiatsu erstmals namentlich aufgetaucht. Es gibt mehrere Gründerväter von Shiatsu wie Namikoshi und Masunaga. Shiatsu ist eine Methode, die sich aber eigentlich schon vor vielen Jahrhunderten gegründet hat, denn das erste, was wir als Werkzeug hatten, wenn uns etwas weh getan hat, waren unsere Hände. Das war schon bevor es Nadeln oder Kräutermedizin gab. Das war damals der erste Zugang. Man hat sich damals, wenn etwas weh getan hat, drauf gedrückt, hingegriffen, und so sind manualtherapeutische Methoden wie Shiatsu entstanden.

Shiatsu als Methode selbst, welche in den 20er Jahren gegründet wurde, hatte einen sehr großen Einfluss von der chinesischen Medizin (TCM). Sozusagen ist Shiatsu eine Körperarbeit, deren Wurzeln einerseits in der chinesischen Medizin liegt und andererseits in der japanischen Körpermedizin im weitesten Sinne. Das Spannende daran ist, dass Shiatsu eine Methode ist, die zwar von den Gründervätern entwickelt wurde, aber diese Menschen haben ein offenes System zurückgelassen, das noch weiterentwickelt werden durfte. Man kann das Shiatsu, das vor 40 Jahren in Japan praktiziert wurde, nicht vergleichen mit dem Shiatsu, das sich heute in Europa etabliert hat. Unser Shiatsu ist im positiven Sinne eine verwestlichte Form, weil wir immerhin keine Asiaten sind, ein anderes Körpergefühl haben, andere Zugänge haben. Und so hat sich Shiatsu mit psychotherapeutischen Methoden und mit anderen Körpertherapiemethoden verbunden. Daraus ist das Shiatsu, das es heute in Europa gibt, entstanden.

Auch gibt es viele verschiedene Stile. Ganz simpel gesagt gibt es einen Namikoshi-Stil, der sich mehr an Punktarbeit orientiert, an der Stimulation von Akupunktur-Punkten. Und es gibt den Stil des Masunaga, das Meridian-Shiatsu. Das ist das Shiatsu, mit dem ich mich beschäftige. Aber es gibt so viele Shiatsu-Schulen in Europa. Ihr Stil bezieht sich immer auf ihre Herkunft und wurde entsprechend modifiziert, durch die Personen, die Shiatsu unterrichten.

Ich möchte kurz zu unserer Schule gehen, das Europäische Shiatsu Institut (ESI), das 1989 gegründet wurde. Unser ursprünglicher Lehrer war Ohashi. Er ist nach Amerika gegangen und hatte in den 70er Jahren eine Schule dort gegründet und ist relativ schnell populär geworden. Wir haben an seiner Schule gelernt und dann in Europa Kurse unterrichtet. Unser Team von ca. 12 Personen (aus Italien, Schweiz, Deutschland, Österreich), das damals das ESI gegründet hat, kommt aus unterschiedlichsten Ursprungsberufen. Ich habe z.B. Landwirtschaft studiert, in der Krankenpflege gearbeitet, wir hatten auch Lehrerinnen, eine Quantenphysikerin, eine Psychologin unter uns. Da ist ganz viel unterschiedliches Wissen zusammengekommen. Und dieses Wissen hatte einen Einfluss auf die Shiatsu-Methode, die wir jetzt unterrichten.

Um nochmals auf den Punkt zu kommen, für jemanden der Shiatsu nicht kennt: Shiatsu ist eine ganz einfache, direkte Art der Körperarbeit. Sie passiert am Boden auf einer Matte. Das hat den Grund, dass man bei der Shiatsu-Technik möglichst ohne Anstrengung mit eigenem Körpergewicht arbeitet. Auf der anderen Seite ist die Matte am Boden ein sehr sicherer Platz, weil man nirgendwo runterfallen kann und viele Techniken angewendet werden können. Sie funktioniert einfach, indem man mehr oder weniger sanften Druck an den Meridianen ausübt, am Körper. Es ist immer eine Ganzkörperbehandlung, die versucht, das gesunde Potential eines Menschen zu unterstützen. Vielleicht ganz vorneweg auch noch: Es ist keine Krankheitsbehandlung. Für eine Behandlung von Krankheiten müsste man Arzt sein. 

Grundsätzlich waren alle asiatischen Methoden immer Methoden der Gesunderhaltung. Auch die taoistischen Mönche haben sich in die Berge zurückgezogen und Kräutermedizin, Kampfkunst, Meditation, Manualtherapien gelernt, aber die Idee war immer – genauso wie bei Yoga und Ayurveda – den Menschen gesund zu erhalten und nicht Krankheiten zu behandeln.

Aber das Tolle daran ist, dass auch, wenn wir jetzt keine Krankheiten behandeln, (was wir in Österreich auch offiziell nicht dürfen, weil wir ein gewerblicher Beruf sind), heißt das nicht, dass Shiatsu keinen Einfluss auf Krankheiten hat. Im Gegenteil: Es ist eine Methode, die den Menschen gut unterstützt in seiner Entwicklung, und dazu gehört auch die Unterstützung des Immunsystems und der Vitalkräfte. Und genau das wird hierzulande noch sehr oft unterschätzt. Denn es hat wirklich eine große Wirkung.

Genauso wie das, was du machst, mit der Kräutermedizin und der Ernährung. Das sind genauso Möglichkeiten. Es geht beispielsweise weniger darum ein Magengeschwür zu behandeln – aber wenn man eines hat, können solche Methoden hilfreich sein im Heilungsprozess. Und so kann man sich Shiatsu auch vorstellen.

Anna:

Und du hast ja vorhin gesagt, wenn wir uns weh tun, greifen wir automatisch hin. Ich vergleiche das gerne mit dieser natürlichen Bewegung, die in uns ist. Und das hat mir so gut in der Ausbildung gefallen. Wir arbeiten mit natürlichen Bewegungen, mit unserer Körperkraft, können uns gut bewegen und sind nicht statisch, und das habe ich in meiner Ausbildung sehr genossen. Und auch danach, als ich Shiatsu praktiziert habe, habe ich es immer sehr wertgeschätzt, dass wir zuerst den Fokus auf unseren Körper gelegt haben, dass es uns gut geht und wir nicht verkrampfen. Das fördert unsere natürliche Bewegung als Praktiker und es ist die natürliche Reaktion, dass wir jemanden in den Arm nehmen. Und ich glaube jemanden in den Arm zu nehmen, ist in den Familien etwas Natürliches. Aber es gibt ja auch Menschen, die keine Familie oder kein soziales Netzwerk mit Ehepartner und Kinder um sich haben und alleine wohnen, daher denke ich, dass das Thema Shiatsu aktuell so im Fokus ist, weil die Menschen ja auch menschliche Berührungen brauchen.

Roberto:

Das ist richtig. Auch in den Zeiten vor der Corona-Pandemie gab es viele Menschen, die gekommen sind, weil sie gute Berührung – und in dem Fall eine professionelle, therapeutische Berührung – schätzen. Es ist natürlich kein Ersatz von einer privaten Berührung. Aber es ist natürlich jetzt so, dass der Hunger nach Berührungen, sehr groß ist. Und das ist die Kunst bei Shiatsu. Man kann Shiatsu auch als Kunst der heilsamen Berührung bezeichnen. Und das ist genau das, was man als Shiatsu-Praktiker lernt. Das eine sind die Techniken, die man schnell draufhaben kann, das andere ist die Theorie. Aber die wirkliche Kunst ist es, in die Berührung zu gehen und auch Resonanzräume herzustellen mit den Menschen. Das ist genau das, was Shiatsu letzten Endes ausmacht, und was heutzutage ein ganz wichtiger Prozess ist. Gerade Menschen, die alleine sind, sind jetzt froh, dass die Shiatsu-Praxen wieder geöffnet werden durften. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, den Shiatsu ein bisschen abdeckt.

 

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Anna:

Aus meiner Sicht sogar zu einem sehr großen Teil. Ich habe letztens mit meiner Frisörin gesprochen und sie hat auch gesagt, dass jetzt so viele ihrer Klientinnen sagen, sie haben die Kopfmassage so vermisst. Sie wissen gar nicht mal mehr, wann sie das letzte Mal so berührt wurden. Sogar die Frisörin bemerkt das bei ein paar Minuten Kopfmassage. Das ist das Oxytocin, dieses Glückshormon das freigesetzt wird, wenn wir uns berühren. Und du hast von verschiedenen Anliegen gesprochen, mit denen die Klienten zu Shiatsu kommen können. Mit welchen Anliegen kommen die Menschen noch zu Shiatsu? Berührung ist die eine Sache, aber gibt es auch andere Themen, wenn wir Richtung Ernährung denken?

Roberto:

Ich muss noch etwas zum Frisör sagen. Ich kann mich gut erinnern, als ich mal vor langer Zeit zu einem chinesischen Frisör gegangen bin, weil ich wissen wollte, wie sie den Kopf bearbeiten, fand ich das auch sehr angenehm.

Zu den Anliegen: Es kommt selten jemand zum Shiatsu-Praktiker und sagt, dass er Berührung braucht. Das ist im Hintergrund vielleicht etwas, das die Menschen führt, aber im Grunde genommen nicht das Hauptanliegen, das jemand hat. Die Leute kommen mit den unterschiedlichsten Anliegen. Vom Kreuzweh über Schlaflosigkeit, aber natürlich sind auch Ernährungsthemen ein Anliegen wie Verdauungsproblematik.

In erster Linie kommen sie, weil sie sich entspannen möchten oder Schmerzen haben. Von Behandlung zu Behandlung öffnen sie sich dann mehr, und dann erzählen sie durchaus auch über andere Themen wie z.B. Ernährung. Das können einfache Verdauungsprobleme sein, kann aber dann auch schon in die Pathologie gehen wie Essstörungen, Bulimie. Shiatsu kann die Ernährungsproblematik natürlich nicht lösen, aber Shiatsu wirkt auf Sympathikus und Parasympathikus und versucht so Ruhe in das System zu bringen. Das heißt nicht, dass man nachher nur relaxt sein muss, es kann genau das Gegenteil sein. Wenn jemand zu ruhig ist und zu wenig Aktivität hat, kann Shiatsu für eine Unterstützung in die andere Richtung sorgen.

Shiatsu arbeitet mit den sogenannten Meridianen. Diese sind grundsätzlich den Organen zugeordnet. Wenn jetzt aber jemand zu mir kommt mit Verdauungsproblemen, dann werde ich nicht sofort auf den Magen-Meridian springen. Denn Shiatsu bietet eine ganz eigene Form der Shiatsu-Diagnostik. Es ist eine energetische Evaluierung, um herauszufinden, was die momentane Lebensbewegung dieser Person ist. Wir sprechen von Qi-Energie. Das ist das, was uns lebendig macht, was wir ständig ausdrücken. Und da schauen wir, was mir die Person momentan zeigt, was der Zugang zu dieser Person ist.

Ernährungsproblematiken wirken sich natürlich unmittelbar auf den Körper aus, sei es, dass dadurch entsprechende Spannungszustände entstehen – da unterstützt Shiatsu. Ich hatte zum Beispiel mal jemanden mit Verdauungsbeschwerden. Diese waren von Unverträglichkeiten ausgelöst, und durch diese sind wiederum enorme Rückenschmerzen entstanden. Die Person ist eigentlich wegen Rückenschmerzen gekommen. Über das Bewusstwerden, was sich in der Person bewegt und in ihr tut, ist dann plötzlich die Idee geboren, sie könnte mal auf die Ernährung schauen. Und dann hat sich erst das Thema mit den Unverträglichkeiten aufgezeigt. In dem Fall war Shiatsu ein Initiator, ein erster Impulsgeber, um die eigene Richtung zu finden.

Anna:

Magst du vielleicht noch etwas zu den Meridianen sagen, für alle die jetzt nicht so tief im Thema sind?

Roberto:

Die Meridiane kann man übersetzen als sogenannte Energieleitbahnen. Die Meridiane sind den Organfunktionen zugeordnet. Wir sprechen z.B. von einem Magen-Meridian, der an der Vorderseite des Körpers verläuft. Wir sprechen von einem Blasenmeridian, der an der Rückseite des Körpers verläuft. Man muss dazu sagen, dass das ein Konzept ist. Die Meridiane sind nicht wissenschaftlich nachgewiesen. Man kann keinen Querschnitt durch den Arm machen und dann einen Meridian sehen. Es wurde schon von Wissenschaftlern versucht Meridiane nachzuweisen, mit elektrischen Feldmessungen, aber es gibt keine wirkliche Evidenz, dass Meridiane vorhanden sind.

Allerdings haben die Meridiane, wie wir sie betrachten, Funktionen. Wenn wir z.B. vom Magen sprechen, so ist die Hauptfunktion des Magens Nahrungsaufnahme und Verdauung. Der Magen-Meridian verläuft an der gesamten Vorderseite. Wenn ich jetzt Hunger habe, bewege ich mich auf die Nahrung zu. Die gesamte Vorderseite, und die hat auch mit der Muskulatur zu tun, geht in eine Spannung, einen Tonus, um sich die Nahrung zu holen. Wenn wir in der Evolution weiter zurückgehen, als wir noch Jäger und Sammler waren, war es so, dass wir eine sehr gut ausgeprägte Magenenergie brauchten, um überhaupt zu unserer Nahrung zu kommen. Die gesamte Ausrichtung, von den Augen begonnen, ist nach vorne ausgerichtet. Heutzutage, wenn ich Hunger habe, richte ich mich zum nächsten Supermarkt aus und hole mir etwas. Es gibt Menschen, die das nicht so gut können oder es im Übermaß machen. Menschen, die Schwierigkeiten haben, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Und da bin ich jetzt schon auf einer Ebene, wo man sagen kann, die Magenenergie entspricht der physiologischen Funktion der Nahrungsaufnahme und Verdauung. Auf der anderen Seite entspricht sie aber auch der Fähigkeit, auf der emotionalen Ebene für Nahrung zu sorgen – z.B. mir eine Umarmung zu holen. Oder auf der mentalen Ebene, wenn ich z.B. Hunger nach Wissen habe, mich in einen Kurs einschreibe um auf einer intellektuellen, mentalen Ebene mein Bedürfnis zu befriedigen. Und dann gibt es auch noch die spirituelle Ebene, die nichts mit Religion zu tun hat. Sondern einfach gesagt, wenn ich mich in mir zu Hause fühle, wenn ich mich angekommen fühle, das ist die spirituelle Ebene vom Magen-Meridian.

Da sieht man, dass ich mit Shiatsu immer alle Ebenen des Seins von einer Person berühre. Wir schwingen immer auf allen Ebenen. Wenn ich Hunger habe, bin ich vielleicht mehr auf der körperlichen Ebene. Wenn ich Hunger nach Emotion habe, dann mehr auf der emotionalen Ebene.

Es ist schon sehr spannend. Weil es gibt noch andere Meridiane wie z.B. den Nieren-Meridian. Die Nieren stehen für unsere Urkraft, für unser Ererbtes, von der medizinischen Seite betrachtet die Vererbung, die Genetik, die Konstitution. Wenn ich eine gute konstitutionelle Kraft habe – wir sprechen auch von der Ahnenenergie – kann mich nichts so schnell umhauen. Der Nieren-Meridian hat auch mit den Hormonen zu tun, es ist quasi eine Antriebsenergie. Die Hormone sind der Treibstoff für unsere Organfunktionen. Wie man sieht, es ist unglaublich vielfältig und kann sehr komplex werden. Und trotzdem ist Shiatsu eine sehr einfache und direkte Methode.

Wenn wir nochmal kurz zur Ausbildung gehen: In der Stufe 1 der Ausbildung lernt man sich gut zu bewegen (das hat auch etwas mit Tanz zu tun), man lernt wie man jemanden angreift, was man alles spürt (Körper, Muskeln, Sehnen, Bänder). Im Laufe der Ausbildung wird das immer differenzierter und genauer. Die Lernenden bekommen dann schon einen vollen Kopf. Zum Abschluss der Ausbildung schließt sich der Kreis. Es soll dann die Arbeit wieder einfacher werden. Das ist dasselbe wie in einem Gespräch. Man kann jemanden etwas mit sehr vielen Worten mit „der Kirche rund ums Kreuz“ erklären, oder sehr einfach mit 2-3 Worten und somit ist es erklärt und es sitzt und es kommt an. So in etwa kann man sich Shiatsu auch vorstellen. Wobei eine Shiatsu-Behandlung natürlich nicht 5 Minuten, sondern 1 Stunde dauert.

Anna:

Du meintest ja vorhin, ich habe damals so genau nachgefragt als ich zum ESI kam. Das hat sich während meiner Ausbildung ja nicht gelegt. Man lernt sich ja während der Ausbildung auch selbst als Mensch kennen, man entwickelt sich auf verschiedenen Ebenen weiter. Das habe ich auch stark an mir gespürt. Ich habe mich reflektiert, dass ich alles ganz genau wissen möchte. Ich weiß noch wie oft ich während der Ausbildung gefragt habe, ob ich richtig bin, ob das der richtige Meridian ist. Aber als ich dann begonnen habe die Meridiane mit allen Sinnen bei den Klienten zu spüren, war das für mich so ein unglaubliches Erlebnis. Ich habe dann bemerkt, dass ich einfach den Kopf abschalten und vertrauen kann. Und das habe ich so schön bei deiner Erklärung gefunden. Wir dürfen einfach auf unsere Intuition und unser Bauchgefühl hören und uns vertrauen. Es ist ja wichtig und richtig, alles was westliche Medizin betrifft zu kennen, sich damit auseinanderzusetzen, zum Arzt zu gehen, sich röntgen zu lassen, aber es ist auch sehr wichtig mal über den Tellerrand zu blicken und sich für Neues zu öffnen und mal vertrauen und sich drauf einlassen.

Du hast uns schon ein bisschen in die Welt der Ausbildung von ESI gebracht. Das würde ich gerne besprechen. Ich habe mich ja damals auch umorientiert und bin so zu Shiatsu gekommen. Gerade jetzt durch Corona und durch die Pandemie, sind viele Menschen in einer Situation, wo sie nicht in den alten Beruf zurückkönnen oder wollen. Ich empfehle die Shiatsu-Ausbildung von Herzen, weil ich weiß, welche Kraft Shiatsu auf einen selbst hat und auch auf die Menschen, bei denen man es ausübt. Ich glaube viele wissen aber nicht, ob es jetzt wieder möglich ist, eine Shiatsu-Ausbildung zu machen. Ist es zurzeit möglich?

Roberto:

Absolut! Es handelt sich um eine professionelle, berufliche Ausbildung und wir arbeiten jetzt gerade in der Pandemie-Zeit mit kleineren Klassen, aber die Ausbildung ist möglich. Wir achten auf die ganzen Hygienebedingungen. Es gibt auch Teile per Zoom. Die Ausbildung läuft, sie läuft bei uns und vielleicht auch in anderen Schulen. Wir sind eine Schule, welche sehr präsent und lange am Markt ist. Wir waren eine der ersten Schulen am österreichischen Markt, die eine Shiatsu-Ausbildung angeboten haben. Aber es gibt auch eine Menge andere wichtige Shiatsu-Schulen, die eine gute Ausbildung anbieten. Ich sage das deshalb, weil ich im österreichischen Shiatsu-Dachverband tätig bin. Wenn man sich für eine Ausbildung interessiert ist es wichtig, dass man sich die Vielzahl ansieht und dann entscheidet. So vielfältig, wie die Menschen sind, sind die Shiatsu-Schulen. Und man soll eine Ausbildung für sich finden, mit der man sehr zufrieden ist. 

Natürlich hoffen wir, dass wir uns in den nächsten Monaten auch mal wieder ohne Maske in den Klassen sehen können. Aber ich muss auch sagen, ich bin selber erstaunt wie gut es mit den Masken funktioniert. Wir haben ja schon im November im ESI die FFP2-Maske verpflichtend während des gesamten Kurses eingeführt, und es funktioniert gut.

So gesehen, ist es jetzt möglich eine Shiatsu-Ausbildung zu machen. Aber es ist natürlich so, dass man die Ausbildung nicht nur machen muss, um damit beruflich tätig zu sein. Wir haben auch so ein Modulsystem, und es gibt einige Menschen, die nur die ersten 2 bis 3 Module machen, für ihre Familie und Selbstanwendung. Diese Möglichkeit gibt es auch.

Und meine Erfahrung ist auch, wenn jemand diese Ausbildung macht, dass eine große persönliche Entwicklung stattfindet. Die Menschen kommen ja aus den unterschiedlichsten Berufsfeldern mit unterschiedlichsten Lebensgeschichten. Ich kann die Entwicklung, die diese Menschen machen, sehr gut beobachten. Shiatsu hat ja etwas mit Empathie, Einfühlungsvermögen zu tun. Der Kontakt, der im Laufe der Ausbildung mit unterschiedlichsten Menschen entsteht, macht etwas aus einem. Es gibt Personen, denen es dann sogar zu viel ist. Aber andere können sich da wirklich richtig darauf einlassen, und dann ist es eine sehr schöne Entwicklung.

Und auch das Alter ist kein Thema. Man kann bei uns mit 19/20 mit der Ausbildung beginnen, und beim Alter nach oben gibt es keine Grenze. Unsere älteste Schülerin hat mit 70 Jahren die Ausbildung begonnen, ist mit 80 fertig geworden, und hat dann noch viele Jahre in einem Kloster in Allgäu Shiatsu praktiziert.

Anna:

Wobei man sagen muss, die Ausbildung dauert ja nicht 10 Jahre, aber diese Dame hat sich dann wohl einfach 10 Jahr Zeit genommen.

Roberto:

Genau. Die gesetzliche Mindestdauer einer Shiatsu-Ausbildung sind 3 Jahre. Die muss jede Schule einhalten. Aber in unserer Schule kann man sich auch nach oben hin Zeit lassen und dazwischen unterbrechen.

Anna:

Ich kann total bestätigen, was du vorhin zu der Schulwahl gesagt hast. Ich habe früher auch schon klassische Massagen ausprobiert – was ich auch heute noch gerne mag – aber bei Shiatsu habe ich das erste Mal das Gefühl gehabt, in der Tiefe berührt zu werden. Und so wollte ich unbedingt die Ausbildung machen. Ich habe mir damals auch im Sommer 2009 viele Schulen angesehen, als ich mich mit Shiatsu beschäftigt habe. Bei mir war die Entscheidung für die Ausbildung dann eine vollkommene Bauchentscheidung. Ich bin aus dem ESI rausgegangen und wusste das ist meine Schule. Ich weiß auch von anderen Freunden, die sich sehr auf Schulen wohlgefühlt haben, die für mich gar nicht in Frage gekommen wären. Daher ist es sehr wichtig, diese Entscheidung für sich zu treffen.

Weil du auch noch gesagt hast, dass so viele Menschen aus unterschiedlichen Branchen kommen. Ich finde das modulare System so gut, weil so kann man wirklich mal durch ein paar Module austesten, ob es etwas für dich ist. Das war auch für mich damals so wichtig. Weil ich ja damals 12 Jahre in der Medienbranche tätig war, und so wusste ich gar nicht, ob ich mich wohl fühle, wenn ich fremde Menschen berühre. Aber ich wusste sofort im ersten Schnupperkurs, dass mir das gefällt.

Roberto:

Du hast vorhin erwähnt „in der Tiefe berühren“. Da kann ich noch ein Beispiel erzählen. Ich finde auch Massage hervorragend und werde gerne massiert. Ich habe mehrere Sportler mit Shiatsu behandelt und diese werden von Physiotherapeuten und Masseuren regelrecht durchgearbeitet während oder nach dem Wettkampf. Öfters kam dann die Rückmeldung nach den ersten Malen Shiatsu, dass sie gefühlt haben, erstmalig wirklich in der Tiefe berührt worden zu sein, dass es so richtig an die Essenz gegangen ist. Das ist Shiatsu. Wobei alle anderen Methoden genauso wunderbar sind, aber Shiatsu ist halt etwas anderes. Man muss die Methoden unterscheiden und sehen, was das Ziel an jeder Methode ist.

Anna:

Du bist ja im ÖDS, im Österreichischen Shiatsu-Dachverband, sehr aktiv tätig und hast ihn auch mitgegründet. Der ÖDS steht als Verband für die Shiatsu-Schulen und Praktika, setzt sich politisch ein. Und er macht auch immer wieder Werbung für Shiatsu-Praktiker, was ich sehr schön finde. Im ORF 2 gibt es ja bald eine Ausstrahlung zum Thema „Berührung in Zeiten des Lockdowns“ Ende März/Anfang April. Das finde ich sehr schön, dass Shiatsu nicht irgendetwas Exotisches ist, sondern schon sehr anerkannt ist.

Roberto:

Es ist mir wichtig zu sagen, dass der ÖDS eine wichtige Institution ist. Er ist vor allem für die Mitglieder, für die Praktiker, da. Natürlich auch für die Schulen. Die Qualität von Shiatsu und das gesellschaftliche Standing von Shiatsu sollen weiterentwickelt werden. Er ist für alle Menschen da, die sich mit Shiatsu beschäftigen. Und er ist ein Bindeglied zwischen den Mitgliedern (Praktiker) und den offiziellen Stellen wie Gesundheitsministerium. Mittlerweile hat sich das sehr gut etabliert. Wir haben einen sehr guten Vorstand, einen sehr guten Obmann, eine sehr gute Dame welche für Werbung und PR zuständig ist. Das ist natürlich eine Kostenfrage, denn wir leben von den Beiträgen. Aber es funktioniert sehr gut.

Anna:

Wenn jetzt jemand durch unser Gespräch neugierig geworden ist und eine Shiatsu-Behandlung ausprobieren möchte, was kann die Person am besten jetzt machen?

Roberto:

Sie kann auf die ÖDS-Seite gehen, wo es eine Praktiker-Suche gibt. Da kann man all jene finden, die offiziell mit Shiatsu arbeiten. Und auf der Seite der ESI kann man Praktiker finden, die die Ausbildung bei uns gemacht haben.

Wenn man sich für die Ausbildung interessiert, kann man auch auf die einzelnen Websites schauen. Bei unserer Schule gibt es Informationsabende – früher präsent, aktuell per Zoom – wo ich dann über Shiatsu und die Ausbildung im Detail erzähle.

Anna:

Ich danke dir von Herzen für unser wunderbares Gespräch, für den schönen Überblick über Shiatsu, dass du uns so entführt hast in die Welt von Shiatsu. Ich könnte dir stundenlang zuhören und glaube, wir haben viele Menschen mitgerissen, in unserem Gespräch. Ich kann nur aus meiner persönlichen Erfahrung sprechen, dass du ein wunderbarer Lehrer bist und ich die Ausbildung sehr genossen habe. Auch eine Wertschätzung an alle Menschen im ÖDS möchte ich aussprechen, denn ihr arbeitet dort ehrenamtlich und investiert Herzblut hinein um Shiatsu zu unterstützen. Das ist eine sehr großartige Arbeit. Vielen Dank, dass wir seit meinem Ende der Ausbildung auch in freundschaftlicher Weise so schön verbunden sind. Vielen Dank für das Gespräch!

Roberto:

Ich möchte mich auch sehr herzlich bedanken. Danke auch für das Kompliment, weil du gesagt hast, wunderbarer Lehrer. Aber ich muss auch sagen, ohne meinem Team ginge das gar nicht mehr. Es sind alles so wunderbare Leute. In diesem Sinne wünsche ich dir auch alles Gute und viel Erfolg weiterhin!

 

Roberto ist Mitbegründer des Europäischen Shiatsu Instituts, er ist Gründer des ESI Wien und seit nun fast 35 Jahren mit voller Freude mit Shiatsu beschäftigt. Roberto geht regelmäßig nationalen und internationalen Lehrtätigkeiten nach und bringt sein Wissen, seine langjährige Erfahrung und die Liebe zum Shiatsu in die Welt.

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Über die Autorin Anna

Über die Autorin - Anna Reschreiter

Ich bin Anna Reschreiter und ich zeige dir, welche geniale Wirkung die einfachsten LEBENSmittel auf dein körperliches und geistiges Wohlbefinden haben und wie du dieses Jahrtausende alte Wissen in deinem modernen Alltag nutzen kannst. Schlau und einfach!

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