PODCAST | Wie du glücklicher wirst – Interview mit Katharina Mühl
Ich spreche mit Glückscoach und Mentaltrainerin Katharina Mühl über Glück und warum es (wahrscheinlich mehr als je zuvor) Menschen, die über Glückskompetenz sprechen, braucht. Haben wir heutzutage das Glücklichsein „verlernt“, oder „vergessen“? Oder suchen wir es gar am falschen Ort? Katharina spricht mit mir auch über ihre ganz persönliche Geschichte, ihr Leben und ihre Erfahrungen, wie sie ihre Haarlosigkeit geprägt und vor allem stark und glücklich gemacht hat.
Wir haben sogar spontan eine kleine Challenge kreiert: #glückstagebuch und laden dich dazu ein auf Instagram und Facebook mitzumachen!
Ich habe Katharina auch gefragt, was Glück für sie ganz persönlich bedeutet, und ob sie sowas wie glücklichmachendes Essen kennt, und was das für sie ist. Du wirst von ihrer Antwort vielleicht überrascht sein!
Ich wünsche dir von Herzen ganz viel Freude und Glücksgefühle mit unserem Gespräch!
Anna:
Danke Katharina, dass du dir Zeit genommen hast für unser Gespräch. Ich habe dich eingeladen, weil du mir empfohlen worden bist. Ich bin dann auf dein Instagram-Profil gegangen und war sofort begeistert von deiner Art über Dinge zu sprechen und dich auf Instagram mit deiner Geschichte zu präsentieren. Ich war dann so neugierig auf dich als Mensch und habe sofort gewusst, dass ich mit ihr unbedingt ein Podcast-Interview führen möchte. Du bist Glückstrainerin und Mentalcoach. Mich interessiert deine Geschichte sehr und daher bitte ich dich, dich vorzustellen.
Katharina:
Vielen, vielen Dank für deine liebevolle und warmherzige Begrüßung. Ich bin Katharina, ich bin 34 Jahre alt, habe einen kleinen 2-jährigen Sohn und bin in Wien geboren und aufgewachsen. Vielleicht wundert sich der Ein oder Andere schon, warum ich keine Haare habe. Als ich 2 Jahre alt war, ist auf meinem Kopf das erste Mal eine münzgroße Stelle aufgetaucht, wo mir die Haare ausgefallen sind. Meine Mutter ist damals mit mir von Arzt zu Arzt gegangen. Zuerst gab es die Vermutung, dass ich mir als kleines Kind die Haare selbst ausreiße, was natürlich nicht gestimmt hat. Dann sind sie draufgekommen, dass ich die Autoimmunerkrankung Alopecia Areata habe, also „kreisrunder Haarausfall“. Die Ursache, woher das kommt, ist noch nicht richtig geklärt. Manche Menschen haben in stressigen Phasen 1-2 kreisrunde, haarlose Stellen, die dann wieder zuwachsen. Bei anderen Menschen, wie bei mir, ist es so, dass die kreisrunden Stellen immer größer werden, ineinander übergehen und irgendwann hat man gar keine Haare mehr.
Das ist bei mir sehr schleichend gegangen. Dass ich gar keine Kopfhaare mehr habe, ist erst seit ein paar Jahren. Eine Zeit lang hatte ich quasi einen Iro. Aber in der Volksschule waren es münzgroße Stellen, die ich gut mit meinen Haaren bedecken konnte. Mit 13 Jahren waren die Stellen dann schon so groß, dass man es immer gesehen hat und damals habe ich dann eine Perücke bekommen. Diese Zeit hat mich natürlich sehr geprägt. Darüber können wir gerne später noch sprechen. Kurz noch zu meinem weiteren Lebensverlauf.
Ich habe Wirtschaft studiert, war jahrelang in großen Unternehmen tätig. Hatte dann aber irgendwann das Gefühl, dass Marketing (was ich studiert habe), für mich keinen Sinn mehr macht. Ich habe diese Erfüllung in diesem Beruf nicht mehr gesehen. Ich habe mich die Jahre davor – durch meine eigene Geschichte – schon sehr viel mit Persönlichkeitsentwicklung auseinandergesetzt. Habe dann eine Mentaltrainer- & Coaching-Ausbildung sowie Lebens- und Sozialberater-Ausbildung gemacht. Ich bin jetzt seit 4 Jahren selbstständig mit dem Fokus auf Glück und positive Psychologie. Ich habe das Unternehmen Glückskompetenz gegründet und gebe da Einzelcoachings und Workshops.
Ganz lange hat niemand gewusst, dass ich keine Haare habe. Ich habe immer eine Perücke getragen. Auf meinem Instagram-Account sieht man auch noch ganz viele Fotos mit Perücke. Ich habe eine blonde Perücke, die ich anziehe, wenn ich Lust habe. Die Perücke ist für mich jetzt wie ein Kleidungsstück. Im Jänner habe ich dann meinen Mut zusammengenommen und auf Instagram meine Geschichte erzählt. Weil ich dann das Bedürfnis hatte, es endlich zu teilen. Nur wenn ich mich ohne Haare zeige, fühle ich mich richtig authentisch als Katharina. Und ich hoffe, dass ich mit meiner Geschichte viele andere Menschen auch motivieren kann.
Anna:
Das machst du hundertprozentig. Das ist auch eine wunderbare Message, die du rausträgst. Weil egal ob es die Haarlosigkeit ist oder eine Behinderung oder ein anderer Makel – ich glaube, gerade die Kinder sind in ihrer Ehrlichkeit auch sehr hart und verletzend. Und du hast ja angesprochen, dass es dir damals gar nicht gut gegangen ist und es eine sehr schwierige Zeit war. Ich glaube gerade als kleines Mädchen, ist es sehr schwierig, weil wir identifizieren uns ja als Mädchen oft mit den Haaren und wie wir aussehen.
Katharina:
Genau, ich hatte immer das Gefühl, dass ich da nicht mithalten kann. Ich kann mir keine Frisur machen. Ich habe mir als Kind daheim oft eine Faschingsperücke aufgesetzt um das Gefühl zu haben, Haare zu haben. Aber ich habe einfach schnell bemerkt, dass ich mich eigentlich sehr wenig für das Thema Haare interessiere. Ich achte sehr wenig auf Haare, auch wenn Freunde von mir ihre Haare geschnitten haben, fällt mir das sehr spät auf, weil ich das Thema irgendwie so ausblende. Aber damals gab es natürlich verletzende Kommentare wie „Ist dir der Frisör ausgerutscht“ oder „Gscherte“ und solche Sachen. Damals hatte ich das Gefühl, all diese Kommentare treffen mich mitten ins Herz. Und ich hatte so das Gefühl, ich habe keinen Schutz. Ich hatte das Gefühl, ich präsentiere mich in meiner ganzen Verletzlichkeit und renne ins offene Messer, ohne zu wissen, wie ich bei mir bleiben kann, wie ich die innere Stärke entwickeln kann, um dazu zu stehen, wie ich bin.
Das hat viele Jahre gedauert und natürlich war die Perücke eine Hilfe, weil sie ja wie ein Schutzschild war. So hat nicht sofort jeder gesehen, dass ich keine Haare habe. So konnte ich das Thema für mich eine Zeit lang ausblenden. Bis ich irgendwann gemerkt habe: „Hey, das bin ich – und so möchte ich mich auch zeigen!“ Und so fühle ich mich jetzt gut. Ich konnte sehr lange das Wort „Glatze“ gar nicht sagen. Jedes Mal, wenn dieses Wort aufgetaucht ist, habe ich mir gedacht, das haben alte oder kranke Menschen mit Chemotherapie. Das wurde ich dann auch oft von Kindern am Spielplatz gefragt, ob ich bald sterbe, was mich natürlich auch sehr getroffen hat. So konnte ich das Wort ganz lange gar nicht sagen oder hören. Und jetzt mag ich meine Glatze sehr gerne, und kann das Wort auch selbstbewusst aussprechen.
Anna:
Wie schön! Und du strahlst auch. Das ist ja auch das, was mir sofort aufgefallen ist! Ich finde, weil du so offen mit deiner Geschichte umgehst, dass du vielen Menschen Mut machst, sich mit ihren eigenen Themen auseinanderzusetzen. Dieses Thema Glück und die Menschen näher an ihr eigenes Glück zu bringen, ist das in dieser Phase gekommen, als du dein eigenes Glück gefunden hast? Wo du dann gedacht hast, du brauchst die Haare gar nicht mehr, weil du dein Glück woanders findest. Wie war dieser Verlauf?
Katharina:
Dieser Schwerpunkt hat sich in der Mentaltrainer-Ausbildung herauskristallisiert. Der Weg war so, dass das Haarthema weniger im Vordergrund stand, weil das konnte ich ja gut verdecken. Aber geblieben ist mein sehr geringer Selbstwert und geringes Selbstvertrauen. Rückblickend auf Schule, Kindheit, Pubertät: Ich war sehr angepasst, ich wollte möglichst unsichtbar sein, damit ich ja nicht auffalle und mich ja niemand anspricht und mich möglicherweise verletzen könnte. Das habe ich dann mitgezogen in die Pubertät. Und auch mit Perücke habe ich immer gedacht, dass ich nicht schön und gut genug bin, und mich nicht zeigen darf. Ich habe immer versucht mich anzupassen und irgendwie dazuzugehören.
Mein großer Befreiungsschlag kam dann mit dem Studium. Weil da niemand von meinen damaligen Kolleginnen mit mir studiert hat, konnte ich eine ganz neue Katharina erfinden und sein. Vielleicht kennst du das Anna, du hast in bestimmten Szenen – im Freundeskreis und in der Familie – eine Rolle inne, die du einfach nicht wegbekommst. Auch wenn wir uns schon längst innerlich verändert haben. In diesem System, werden wir immer so gesehen, wie wir vor 5 Jahren waren. So ähnlich ist es mir damals im Freundeskreis gegangen. Und so war es dann am Anfang vom Studium, dass ich wirklich schrittweise immer mehr ich selbst sein konnte, meine eigenen Stärken entdeckt habe, herausgefunden habe, dass ich es liebe vor Menschen zu sprechen und ich habe mir erlaubt, mich zu zeigen.
Dann habe ich immer mehr verstanden, dass ich nicht der Situation ausgeliefert bin, sondern dass ich mit meinen Gedanken und Mindset alles selber steuern kann. Dass ich es selbst in der Hand habe, ob mich jemand verletzt und wie es mir geht. Egal was im Außen um mich rum passiert. Damit habe ich mich zuerst privat beschäftigt und dann mit meiner Ausbildung wollte ich auch erfahren, was da wissenschaftlich dahintersteckt. Und für die Abschlussarbeit habe ich mir dann das Thema Glück ausgesucht. Ich bin draufgekommen, dass Glück wirklich eine Fähigkeit ist, die wir alle in uns haben und die wir auch trainieren und stärken können. Und das war so der Beginn von Glückskompetenz.
Für mich war es auch sehr spannend, als ich herausgefunden habe, dass Deutsch die einzige Sprache ist, in der es für „Glück“ nur ein Wort gibt, für zwei komplett unterschiedliche Bedeutungen. Es gibt auf der einen Seite das „Glück haben“, also das Zufallsglück, z.B. ein Lottogewinn – da liegt das Glück nicht in meiner Hand. Womit ich mich aber beschäftige ist das „Glücklich sein“. Das ist ein Zustand, den wir selbst beeinflussen können, mit unseren Handlungen, Gedanken und Entscheidungen. Und ganz oft, wenn ich sage, ich bin Glückstrainerin, werde ich komisch angeschaut, weil die Menschen das oft esoterisch finden. Nein, das was ich mache ist wissenschaftlich fundiert. Es gibt eine Forschungsrichtung mit positiver Psychologie und Glücksforschung, wo es nur darum geht, wie ich den Zustand des glücklich seins selbst beeinflussen kann. In anderen Sprachen ist es sprachlich getrennt, wie z.B. in Englisch „happiness“ für das Glücksgefühl und „luck“ für das Zufallsglück.
Anna:
Und Deutsch ist die einzige Sprache, wo es nur ein Wort dafür gibt?
Katharina:
Ich habe noch keine andere Sprache gefunden und frage auch in Workshops immer meine Teilnehmer von anderen Ländern. Und bisher haben alle gesagt, es sind zwei verschiedene Wörter.
Anna:
Ich glaube vor allem jetzt in dieser Zeit ist es wichtig, dass es Menschen wie dich gibt, die uns diese Glückskompetenz näherbringen. Warum sind so viele Menschen unglücklich oder warum ist es gerade jetzt so wichtig, über das Thema Glück zu sprechen und sich dessen bewusst zu sein, dass wir es selbst in der Hand haben ob uns etwas runterzieht und dass wir immer die Wahl haben, wie wir darauf reagieren. Haben die Leute das verlernt? War das früher irgendwie anders? Was ist so deine Meinung dazu?
Katharina:
Da möchte ich zwei Themen unterscheiden. Einerseits glaube ich, dass Glück schon immer ein relevantes Thema war. Es haben sich schon viele Philosophem mit dem Thema Glück beschäftigt wie Aristoteles zum Beispiel. Und sie haben damals schon festgestellt, dass jeder Mensch in sich das Streben nach Glück hat. Wenn wir es auf den Kern herunterbrechen: Wir glauben, alles was wir tun oder nicht tun im Alltag, dient dazu um glücklicher zu sein. Wenn wir z.B. über das Thema Schönheit reden. Wir glauben, wenn wir lange Haare haben und schön sind, sind wir glücklicher.
Ich glaube Glück ist immer ein Thema. Jetzt gerade ist es so vorherrschend, weil wir mitten in der Corona-Krise sind und wir dann noch mehr den Eindruck haben, wir sind der Situation ausgeliefert. Und wir haben das Gefühl, wir können nichts tun. Wir haben den Eindruck, wir müssen alles so hinnehmen. Und immer, wenn wir das Gefühl haben, wir verlieren die Kontrolle, dann ist das etwas, was uns unglücklich macht. Und das Gemeine ist, dass wir genetisch bedingt auf das Unglück gepolt sind. Also psychologisch gesehen: Stell dir vor, früher ist einer am Boden gelegen und dann kam ein Säbelzahntiger, dann hat er die Flucht ergriffen. Das war damals überlebensnotwendig, dass wir uns negative Dinge besonders merken. Wenn jemand eine giftige Pflanze gegessen hat, mussten sich alle merken, dass man von dieser Pflanze stirbt. Das heißt, das Unglück kommt von alleine, darum müssen wir uns nicht kümmern. Aber leider ist es so, dass wir uns um das Glück bemühen müssen.
Wenn wir an einem Tag viele gute oder neutrale Dinge erleben, und dann haben in der Arbeit einen Streit mit einer Kollegin oder ein Meeting das nicht gut war, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass wir beim Abendessen nicht über die 15 guten Sachen, sondern über die eine negative Sache sprechen, weil sie uns viel präsenter und wichtiger erscheint. Und wenn wir das aber wissen, dann können wir bewusst dagegen steuern und bewusst immer mehr den Fokus darauf lenken, dass es so viel mehr Gutes gibt. Es gibt viel mehr, als wir glauben, wir achten nur einfach nicht drauf.
Anna:
Das erinnert mich gerade an das letzte Gespräch mit meinem Mann. Das ist auch der Klassiker. Ist eine Beziehung glücklich oder unglücklich. Die meiste Zeit haben wir positive Gespräche. Aber wenn dann mal ein Gespräch nicht so positiv ist, dann bringe ich schneller die negativen Dinge aufs Tablett und viel seltener die guten Dinge. Oder man kriegt 100 Emails, davon zwei blöde Mails, und wir ärgern uns über genau die zwei.
Katharina:
Genau, wir ärgern uns über die 2 blöden Mails, und jedes Mal, wenn wir darüber sprechen und es erzählen, dann ist es so, als ob wir es noch mal erleben würden. Wenn wir gute Sachen erlebt haben, und wir sprechen darüber, dann stärken wir unser Glückszentrum im Gehirn. Wenn wir aber ärgerliche Sachen erleben und immer wieder darüber reden, dann stärken wir das Ärgerzentrum in unserem Gehirn. Für unser Gehirn macht es keinen Unterschied ob wir tatsächlich diese Situation erleben oder sie nur noch mal in Gedanken oder Gesprächen durchleben.
Wir können uns das so vorstellen wie so eine Art Glücksmuskel und einen Ärgermuskel – alle Emotionen sind im Gehirn abgebildet. Du kennst vielleicht den Spruch „Use it or lose it!“ Es ist als wenn wir Englisch sprechen: Wenn wir es laufend praktizieren, fallen uns die richtigen Vokabeln ein. Sprechen wir länger nicht, dann fällt es uns schwer die Worte zu finden. Genauso ist das mit unseren Emotionen und Gefühlen. Je öfter wir in einer guten Stimmung sind, desto mehr stärken wir unser Glückszentrum. Und je öfter wir in einer negativen Stimmung sind, desto mehr stärken wir unser Ärgerzentrum. Und wenn ich jetzt einen stark trainierten Ärgermuskel habe, dann fallen mir natürlich auch die vielen kleinen anderen Sachen, die schön sind, viel weniger auf – weil darauf achte ich ja gar nicht. Dann fällt mir nicht auf, welche schöne Frühlingsblumen jetzt gerade am Weg entlang wachsen, weil ich so damit beschäftigt bin, dass mich gerade in der U-Bahn jemand angerempelt hat.
Anna:
Wenn wir jetzt auf die österreichischen und Wiener Raunzer eingehen, hast du da noch einen Tipp. Wenn man mal jammert oder sich etwas von der Seele redet, kann es schon befreiend sein. Aber es gehört auch irgendwann mal Stopp gesagt. Was kannst du uns selbst da raten, wenn wir in das Jammern reinkommen.
Katharina:
Ich sehe das so wie du. Ich finde es gut, dass wir uns auch mal Jammern zugestehen. Wir dürfen mal Jammern, und sagen, dass wir etwas nicht gut finden. Aber aus der Glücksperspektive möchte ich noch mitgeben, gut auf die Gesprächshygiene zu achten. Sich zu fragen ob es in Gesprächen mit guten Freunden oder Familie immer nur über belastende Dinge wie über die Krise geht, oder ob ihr auch über Dinge sprecht, die euch freuen, die positiv sind. Wir dürfen – ganz besonders in Krisenzeiten – auch über Positives und Gutes sprechen. Ich finde der Wiener Grant, hat ja auch ein bisschen was Charmantes und es ist auch eine Bewältigungsstrategie, und wir dürfen es auch mal rauslassen und dann aber bewusst den Fokus auf andere Dinge legen.
Anna:
Also wenn ich mit einer Freundin spreche, habe ich auch das Recht zu sagen, dass ich mal über Positives reden möchte. So in der Art: Was ist dir besonders gut gelungen? Was war das letzte, was dir so richtig Spaß und Freude gemacht hat?
Katharina:
Ja genau, absolut.
Anna:
Ich habe das tatsächlich mal zu einer Freundin gesagt, die sehr viel gejammert hat. Ich konnte es nicht mehr hören und habe das gesagt und sie war ganz perplex.
Katharina:
Ja, das ist auch etwas, was sehr überraschend ist, wenn wir in so einem Jammerrad sind. Ich kann mich auch erinnern, dass es in Pausen, wenn die Leute zusammengestanden sind, oft nur um Probleme gegangen ist. Und ich habe dann angefangen von „Sparkling Moments“ zu erzählen – also von prickelnden Momenten, in denen alles gut gelaufen ist, die habe ich dann so eingestreut. Und da wurde dann teilweise auch das Gespräch gestoppt. Aber je öfter wir das machen, desto mehr motivieren wir auch andere. Denn wenn es uns gut geht und wir Glück ausstrahlen, dann präsentieren wir das nach Außen, und dann ernten wir automatisch mehr Liebe und Zuneigung. Und das lässt uns noch mehr strahlen. Also wenn ich gut auf meine guten Gefühle achte, dann entsteht eine positive Spirale und ich stecke andere Menschen im positiven Sinne mit meinem guten Gefühl an!
Anna:
Den Österreichern wird ja immer nachgesagt, dass sie sich so sehr in Dramen reinsteigern und reinraunzen können. Und so nimmt das ganze seinen Lauf. Dann ist man schnell in einer negativen Bubble, wo immer mehr dazu kommt. Wie kann man sich da rauslösen. Weil ich glaube gerade jetzt, macht uns die Situation so unglücklich. Und gerade jetzt gibt es so Vieles, über das wir uns ärgern könnten. Wie können wir das im aktuellen Alltag besser machen. Hast du ein paar Tipps?
Katharina:
Was sehr gut funktioniert ist ein Glückstagebuch. Das ist eine super einfache Übung, welche auch wissenschaftlich durch die Glücksforschung belegt ist. Du nimmst dir ein schönes Büchlein zur Hand und stellst dir jeden Abend die gleiche Frage: Was war heute schön, was hat mich glücklich gemacht? Und dann notierst du jeden Abend mindestens 3 Glücksmomente des Tages. Wenn du das über einen längeren Zeitraum machst, hat das einen großen Effekt.
Anna:
Dass ich mich also viel bewusster damit auseinandersetze und mich richtig darauf konzentriere und so auch in mich hineinspüre, was es genau war, das mich glücklich macht.
Katharina:
Ja, man bekommt dann auch das Gespür, was einen überhaupt glücklich macht. In den Einzelberatungen habe ich schon Menschen kennengelernt, die zu mir ins Glückscoaching gekommen sind, die mir die Frage nicht beantworten konnten, was sie denn glücklich macht im Leben. Mein Eindruck ist, dass wir wunderbare Problemexperten, aber ganz miserable Glücksexperten sind, weil wir uns so viel mit negativen Dingen beschäftigen und unseren Fokus darauflegen. Und nur wenn du dir 5 Minuten Zeit nimmst für das Glückstagebuch, dann finde ich heraus, was dann immer wieder kommt. Ich bin tagsüber auch achtsamer. Und wenn ich dann herausgefunden habe, was mich glücklich macht, kann ich das immer wieder reproduzieren und fix einplanen. Wenn ich z.B. herausfinde, dass Yoga total heilsam für mich ist, kann ich das fix einplanen. Ich finde auch heraus, welche Menschen in diesem Tagebuch stehen. Meistens ist es ja so, dass wir in einem klassischen Tagebuch Sorgen und Probleme reinschreiben, aber im Glückstagebuch sind nur wunderbare Momente.
Der 2. Tipp ist Akzeptanz, was uns oft sehr schwerfällt. Gerade die jetzige Situation, die ist da und wir können mit allen Mitteln dagegen wehren, aber das kostet uns nur Energie. Wenn es eine unveränderliche Situation ist, dann geht es aus meiner Sicht nur mit Akzeptanz. Dann ist es gut zu akzeptieren, dass es so ist, und ich darf es auch richtig blöd finden. Und dann kann man sich überlegen, was denn trotz allem gut ist. Dann kann ich überlegen, welche Chancen mir die Situation bietet z.B. habe ich Zeit mich weiterzubilden. Das kann ich aber erst, wenn ich aufhöre, dagegen anzukämpfen. Wie sieht du das?
Anna:
Absolut genauso wie du. Da fällt mir noch eine Frage ein: Ich bezeichne mich als sehr positiven Menschen und sehr optimistisch. Und ich sehe auch immer in schwierigen Dingen eine Chance – ich weiß, es ist momentan sehr bescheiden und schwer, aber es geht immer wieder bergauf. Das bezeichne ich auch als Glück im Leben, diese Eigenschaft zu haben. Werden Menschen damit geboren oder trainiert man ihnen das im Laufe des Lebens ab? Ich habe nämlich kürzlich einen Artikel gelesen, wo es hieß „Lach nicht so laut“ – dass wir quasi als Kinder schon eingeschränkt werden, wie wir unser Glück äußern. Kann das auch etwas sein, dass uns beeinflusst.
Katharina:
Ja genau, da bekommen wir schon viel von der Kindheit mit. „Du darfst dich nicht immer glücklich fühlen“. Ich bin generell der Meinung, dass wir in uns allen, wenn wir geboren werden, die Glückssoftware in uns haben. Ich sehe das auch bei meinem Sohn. Er ist in vielen Situationen mein größter Lehrmeister. Denn er macht sich keine Gedanken was war oder kommt, sondern er weint kurz, wenn er hinfällt und wenn er wieder aufsteht ist er so fröhlich wie vorher. Kinder können es ganz im Hier und Jetzt zu sein. Und wir verpassen viele Glücksmomente. Stell dir vor wir stehen morgens in der Dusche und könnten das warme Wasser auf der Haut genießen, stattdessen planen wir schon vor, was heute noch alles zu tun ist. Oder wir ärgern uns über etwas, was vor ein paar Tagen passiert ist, und verpassen so die Glücksmomente im Jetzt. Und diese Momente gibt es einfach nur in der Gegenwart. Außer wir freuen uns auf etwas in der Zukunft.
Was du vorher gesagt hast, finde ich sehr schön – dass du aus Krisen so viel Kraft mitgenommen hast. Das nennt sich ja Resilienz in der Fachsprache, also die innere Widerstandskraft. Und da gibt es genetische Unterschiede. Einige Menschen haben das mehr und andere weniger. Es ist aber auch etwas, was wir lernen können. Ich kann mit meinen Gedanken, Handlungen, Gefühlen dazu beisteuern, wie ich mich fühle und ich weiß, ich habe schon mal Krisen gemeistert und so sehe ich jede Krise als Wachstumschance. Dann tue ich mir natürlich leichter, als wenn ich mich auf einen Fehler konzentriere.
Anna:
Das heißt also, was wir uns auf alle Fälle mitnehmen, ist im Hier und Jetzt zu sein. Einfach mal die 2 Minuten unter der Dusche zu genießen, ohne schon vorzudenken oder Gedanken wälzen, die uns belasten. Und diesen Moment dann gleich für das Glückstagebuch zu vermerken. Jeder, der heute zuhört, bekommt die Aufgabe ein Glückstagebuch zu kaufen, ein Foto zu posten und uns beide zu verlinken. Wir wollen eure Glückstagebücher sehen. Das ist ja eine schöne, spontane Challenge.
Gerade jetzt in dieser Zeit: Viele Menschen konzentrieren sich auf das Glück und wollen glücklich sein. Wenn sie besser essen, sind sie glücklich. Wenn sie abnehmen, sind sie glücklicher. Rennen wir manchmal unserem Glück hinterher und verlieren im Hier und Jetzt unsere Achtsamkeit?
Katharina:
Ja, absolut. Was du gerade angesprochen hast, ist die typische Wenn-Dann-Falle. Ich denke mir: „Irgendwann, wenn ich mal die Matura, das Studium, den Job, das Haus, die Beziehung, das Kind habe – dann bin ich glücklich.“ Und wenn das dann eintritt, kommen wir vielleicht drauf, dass ein Kind doch anstrengender ist, als gedacht, dass der Job doch nicht so passt – und so verschieben wir unser Glück wieder auf die Zukunft. Und mache Menschen verschieben das wirklich ständig. Und dann haben wir mal das Gefühl, das wir nichts von dem, was uns wirklich glücklich macht, gemacht haben. Wir haben es immer nur nach hinten verschoben. Darum geht es auch viel in meinen Glückscoachings.
Es ist ja oft auch Einbildung zu glauben, dass wir etwas brauchen, um endlich glücklich zu sein. Das brauchen wir nicht. Mir geht es darum, wie man jetzt in dem Moment, mit allen Ressourcen, die du schon in dir hast, schon glücklich sein kannst. Für mich war es sehr befreiend zu erkennen, dass ich keine Haare brauche, um glücklich zu sein. Ich lebe eher minimalistisch – bis auf Bücher, das ist meine Schwäche. Aber ich brauche nicht viel Materielles, um wirklich glücklich zu sein. Je mehr wir uns von äußeren Sachen befreien und uns auf uns selbst konzentrieren – auf unsere Stärken, wie wir sie einsetzen können – erkennen wir, dass das die Dinge sind, die glücklich machen.
Es gibt 2 Arten von Glück: Es gibt das hedonistische Glück. Da geht es um Genussmomente. Wie z.B. Essen, Umarmungen, gute Gespräche. Und so viel von den Genusssachen sind gerade weggebrochen. Und dann gibt es noch das sogenannte eudämonistische Glück, das ist die Sinnebene. Da geht es darum zu sehen, wie ich meine Stärken und mein Potential nutzen kann, wie ich andere Menschen unterstützen kann, um Erfüllung zu erleben. Wenn ich nur die Genussmomente anstrebe, dann habe ich oft das Gefühl, das Leben fühlt sich schal an. Ich habe am Papier alles, aber ich fühle mich trotzdem nicht glücklich. Wenn ich mich nur auf die Sinnebene konzentriere und nur für andere da bin, kann es zu viel werden, wenn ich mir selbst zu wenig gönne, und ich bin wieder nicht glücklich. Es geht darum, die Balance zu haben.
Und gerade als Mama, habe ich das noch mal besser verstanden. Ich finde Kinder sind das beste Beispiel. Die Glücksforschung sagt immer wieder, dass Kinder nicht glücklich machen. Was die Genussmomente angeht, ist es so, wenn ich an schlaflose Nächte und Babygeschrei zurückdenke. Wenn du Mütter fragst, ob sie glücklich sind, sagen sie in diesen Momenten öfter Nein als Ja. Wenn man aber fragt ob dich dein Kind glücklich macht, sagt jeder Ja. Kinder zahlen total auf die Sinnebene ein, machen aber unseren Alltag nicht unbedingt glücklicher, sondern erschweren ihn oft. Das sind die zwei unterschiedlichen Ebenen.
Und gerade jetzt durch die Corona-Pandemie, wo die Vergnügungen des Alltags weggebrochen sind, ist eine super Zeit herauszufinden, was ich denn will, und was für mich wirklich erfüllend ist. Was ist für mich ein erfülltes Leben? Wie kann ich meine Stärken entdecken und nutzen?
Anna:
Ich könnte dir ewig zuhören, und würde trotzdem gerne ein Thema ansprechen, weil es gerade so gut passt. Du hast mir im Vorgespräch kurz erzählt, dass du unterrichtest. Da habe ich gefragt ob du Glück unterrichtest. Und du meintest du unterrichtest kreative Kompetenz und Ideengenerierung und -Bewertung. Du hast mir dann noch mehr darüber erzählt und bist auf den Punkt gekommen, dass uns auch Freiheit und unsere Gedanken frei leben und unsere Vision vertrauen und in den Flow zu kommen glücklich macht. Kannst du uns da noch einen Einblick geben?
Katharina:
Also Kreativität ist auch etwas, was wir wie eine Software von unserer Geburt an mitbekommen haben. Wir alle haben die Fähigkeit, kreativ zu denken und Dinge zu verbinden. Sehr oft wird unter Kreativität Malen oder Zeichnen verstanden. Aber Kreativität ist in mir und betrifft unterschiedliche Dinge. Es ist so, dass gute Gefühle sich positiv auf unsere Kreativität und den Flow auswirken. Wir haben das Gefühl, wir verschmelzen mit dem Moment. Das wirkt sich sehr positiv aus – also gute Gefühle erweitern unseren Denk- und Handlungsspielraum. Wenn wir an eine Prüfungssituation in der Schule zurückdenken und wir erinnern uns an Stress- und Druckmomente, dann ist das gar nicht förderlich für unseren Lernerfolg, weil wir in solchen Situationen einen Tunnelblick aufziehen. Dann sind unsere Gedanken nicht frei. Erst wenn wir uns in der Entspannung befinden und gute Gefühle zulassen, können wir so richtig kreativ sein. Das finde ich auch gut, dass das mittlerweile schon erkannt wurde von den Schulen. Vielleicht hast du davon gehört, denn Glückskompetenz gibt es mittlerweile schon als Schulfach an Schulen. Da geht es genau drum, diese Kompetenzen zu erlernen. Weil Glück ist so ein breites Feld. Und auch Ernährung ist da ein großes Thema. Wie kann ich meinem Körper gute Dinge zuführen, damit es meinem Körper gut geht. Und auch viele andere Dinge…
Anna:
Darf ich dich persönlich fragen, was dich glücklich macht oder was für dich persönlich Glück bedeutet.
Katharina:
Für mich persönlich bedeutet Glück momentan, wenn ich mit meinem Sohn kuschle – das ist für mich der absolute Glücksmoment. Gleichzeitig macht mich meine Arbeit unglaublich glücklich. Jedes einzelne Glücksgespräch, das ist unglaublich sinnerfüllend für mich.
Anna:
Du hast ja auch schon das Essen erwähnt. Gibt es für dich auch sowas wie ein glücklich machendes Essen? Ich sage auch meinen Kursteilnehmern immer, dass es oft so banale Dinge gibt, die uns so glücklich machen. Bei mir ist es z.B. ein ganz normales Butterbrot mit Salzgurke. Gibt es für dich auch sowas?
Katharina:
Was mich absolut glücklich macht, ist eine selbstgemachte, ganz einfache, Tomatensauce mit Spaghetti. Ganz klassisch – aber das ist mein Glücksessen.
Anna:
Danke dass du deine persönliche Geschichte mit uns teilst und uns Mut machst. Ich werde auch ein Foto posten vom Glücksbuch, das ich mir zulegen werde.
Katharina:
Vielen Dank für die Einladung zu deinem Podcast.
Anna:
Wir werden uns bestimmt wieder sehen, da bin ich sicher. Du bist ein ganz toller Mensch! Danke!
Wenn du mehr über Katharina Mühl erfahren möchtest, dann schau auf ihren Kanälen vorbei:
Website: https://www.glueckskompetenz.at/
Instagram: https://www.instagram.com/glueckskompetenz/